Kurzer kunsthistorischer Überblick
über die St. Urbanus-Kirche und ihre Ausstattung

 

Die Urbanuskirche ist die zweitälteste Hallenkirche der Soester Börde und stammt in ihren ältesten Teilen aus der Zeit von ca. 1170/80: Sakristei, Apsis und Chorquadrat, der Turm und vermutlich auch die südliche Außenmauer des Langhauses wurden in dieser Zeit errichtet. Das restliche Langhaus wurde etwas später erbaut und dürfte um oder kurz nach 1230 vollendet gewesen sein.

 

Die Kirche hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, in der sich für den Bau und die Ausstattung mehrere Phasen ausmachen lassen: um 1170/80, um 1230, um 1500, 1600-1633, kurz nach 1700, 1901, 1955-57 und 1973/74 fanden größere Bau-, Ausstattungs- bzw. Restaurierungsmaßnahmen statt.

 

Die Maße betragen nach dem Lagerbuch der Kirchengemeinde 22,27 m Länge, 13,80 m Breite, Scheitelhöhe der Mittelschiffsgewölbe 16,23 m, Turmhöhe ca. 34 m. Der Bau war an seiner Außenseite ursprünglich weiß verputzt. Reste dieses Putzes wurden unterhalb der Dachtraufen gefunden. Der Kalk im Putz stellt für den weichen Gründsandstein einen Schutz dar, der aber im Laufe der Jahrhunderte vergangen ist. So kommt es, dass sich die Kirchen der Börde als grüne Kirchen darstellen. Wegen der starken Verwitterung wurde 1986 der Turm wieder verputzt, hierbei jedoch der Putz der Farbe des Steins angeglichen.

 

Die Sakristei hat einen rechteckigen Grundriß mit den Maßen 3,30 x 2,10 m. Im Osten schließt sich eine flache, halbrunde Apsidiole an. Grabungen von 1973/74 haben ergeben, dass die Sakristei ursprünglich ein eigener Bau war, denn die heutige Westwand ist jüngeren Datums. Die Nordwand der Sakristei mit der Türöffnung zum Chorquadrat hingegen gehört zum alten Baubestand. Die Sakristei diente folglich zunächst als Kapelle, bis der weitere Neubau soweit gediehen war, daß im Chor bzw. Chorquadrat Messen möglich waren. Vermutlich war von Anfang an geplant, dass diese Kapelle später Sakristei werden sollte.

 

Die ornamentale Ausmalung stammt aus derselben Zeit wie die Apsisausmalung, denn sie ist auf dieselbe Putzschicht aufgetragen. Dank der Identität der Schmuckmotive mit St. Petri (Soest) ist ihre Datierung auf 1180/90 gesichert.

 

Besonders wertvoll ist die figürliche Malerei in der Apsis der Sakristei: die beiden Heiligen stellen die ältesten erhaltenen Beispiele figürlicher Monumentalmalerei im Soester Raum vor 1200 dar. Die 1973/74 "sorgfältig freigelegte Secco-Malerei", die niemals übermalt wurde, vermittelt nach der Einschätzung von Lobbedey (Romanik in Westfalen, Schnell und Steiner 2000, S. 27f.) "einen Eindruck von der Leuchtkraft der alten Farben, so wie wir sie auch aus gut erhaltenen Buchmalereien kennen". Ein originales Schriftband ist noch in Teilen lesbar und nennt als im (heute verlorenen) Altar aufbewahrte Reliquien Teile der Krippe Christi, des Kreuzes Christi, und des Mariengewandes.

 

Wegen der Bedeutung der Befunde wurde die Malerei 2011 in ein Forschungsprojekt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Amt für Denkmalpflege, aufgenommen, das Modelle zu präventiven Erhaltungskonzepten romanischer Wandmalereien in Westfalen entwickelte.

 

Der Chor ist kreuzgratgewölbt; Triumph- und Chorbogen sind gedrückt. Die halbrunde Apsis hat drei Fenster, die sich als Verweis auf die Trinität deuten lassen; das mittlere Fenster wurde vermutlich bei Einbau des hohen barocken Altaraufsatzes zugesetzt. Das Chorquadrat wird über zwei hochsitzende rundbogige Fenster in der Nord- und Südwand beleuchtet. Die Altarmensa und Stipes aus großen Grün-sandsteinquadern sind noch die originalen der Erbauungszeit. Das Reliquienfach ist leer.

 

Aus der gleichen Bauzeit wie der Chor datiert auch die Südwand des Kirchenschiffs. Das Portal in der Südmauer liegt zum Dorf hin, ist das breiteste der Kirche und durch eingestellte Säulen mit attischen Basen und Eckblättern und Blattkapitellen mit Diamantschnitt sowie einem Tympanon in Dreipaßform auch das am prächtigsten ausgestattete; ein ähnliches Portal findet sich in der Kirche in Neuengeseke. Bis in die 1980er Jahre hinein war im Tympanon noch in gotischen Minuskeln "maria" zu lesen. Gemeinsam mit der Marienreliquie im Altar der Sakristei macht das ein ursprüngliches Marienpatrozinium wahrscheinlich.

 

Der dritte Bauteil der ersten Bauphase ist der viergeschossige Westturm über quadratischem Grundriss mit Pyramidendach.

 

Das Langhaus hat einen quadratischen Grundriss mit zwei Jochen.  Die mittleren Pfeiler haben einen kreuzförmigen Grundriß; die anderen sind dem angenähert.

 

Die beiden Joche sind kreuzgratgewölbt: im Mittelschiff hohe kuppelige Kreuzgratgewölbe, in den Seitenschiffen einhüftige Tonnengewölbe mit Stichkappen über den jeweils vier rundbogigen Fenstern. Die Ausmalung des Schiffs datiert kurz nach der der Hohnekirche und lehnt sich eng an diese an, wenn auch mit vereinfachten Formen: Scheitelringe, Kandelaberbäumchen, Sterne, ornamentale Grat-Begleitbänder. Einige der Bänder werden über den Kämpfern der Pfeiler von - stark verrestaurierten - Gestalten gehalten. Die romanische Ausmalung wurde mit braunroten, gelbbraunen, grünen, schwarzen und braunschwarzen Pigmenten ausgeführt. Die Gewölbe zeigen auch drei figürliche Szenen. An der Südseite des Nordpfeilers im Mittelschiff reitet z.B. die Babylonische Hure auf ihrem Tier mit zehn Hörnen und sieben Köpfen, "in Purpur und Scharlach gekleidet und mit Gold, Edelsteinen und Perlen geschmückt" (Apk 17).

 

Der Dachstuhl über Chor und Langhaus datiert aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts, wie ein dendrochronologisches Gutachten ausweist.

 

Die nördliche Apsidiole, in der heute der Taufstein steht, zeigt in der Kalotte eine Marienkrönung, ähnlich der der Hohnekirche in Soest (Nordapsis, um 1250/60), darunter zwei stehende Könige. Es dürften Salomo und David sein, die zu den Vorfahren Mariens zählen.

 

Der Bechertaufstein (Höhe 94 cm, Durchmesser 89 cm) datiert um 1200. Der obere Rand zeigt einen Fries gegenständiger Vögel, die aus einem stilisierten Brunnen trinken, jeweils getrennt durch eine Palmette. Es ist das spätantik-frühchristliche Motiv des Lebensbrunnens.

 

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts datiert das spätgotische Sakramentshäuschen aus Baumberger Sandstein an der Nordwand des Chors mit seinem originalen schmiedeeisernen Gitter, maß-werkgeschmücktem Giebel und Fialen. Es ist dem romanischen Sakramentshaus vorgesetzt.

 


Text u.a. mit Auszügen aus dem 40-seitigen Kirchenführer von Prof. Dr. Renate Prochno, Salzburg.

Der Kirchenführer kann über das Kontaktformular zum Preis von 5,00 Euro bestellt werden.
 

Förderverein der St. Urbanuskirche Weslarn 0